Ich weiß, wie herausfordernd das Leben mit Schwerhörigkeit ist

Die renommierte Expertin für Cochlea-Implantate (CI) Dr. Veronika Wolter weiß genau, was sie tut – sie trägt selbst Hörsysteme. Gerade weil sie das Leben mit Schwerhörigkeit kennt, versteht sie ihre Patientinnen und Patienten bestens.

Dr. Veronika Wolter, Chefärztin der Münchener Helios Hörklinik, ist selbst taub und trägt zwei Hörimplantate. Im Interview erzählt sie, was sie Betroffenen rät und wie Menschen mit Hörschädigung in der Helios Hörklinik geholfen wird.

Leben mit Schwerhörigkeit

Frau Dr. Wolter, Sie sind Deutschlands erste gehörlose Chefärztin in einem Akutkrankenhaus und die weltweit einzige gehörlose HNO-Chefärztin. Können Sie uns kurz Ihren Werdegang und Ihr Leben mit Schwerhörigkeit schildern?

Mein Gehör habe ich infolge einer Meningitis im Kindesalter verloren. Mit neun war ich schwerhörig, heute bin ich komplett taub. Mithilfe meiner Cochlea-Implantate höre ich aber praktisch so gut wie vor dem Hörverlust. Gleichzeitig kann ich als Chefärztin Menschen dabei helfen, ihr Gehör wiederzuerlangen. In der Hörklinik habe ich die Möglichkeit, die Klinik mitzugestalten, die ich als Patientin mein Leben lang gesucht habe. Aber der Weg hierhin war sehr hart. Schule und Medizinstudium mit eingeschränktem Hörvermögen waren schwierig. Und dieses wegen der Gefahr des Mobbings durch andere permanent verstecken zu müssen und gleichzeitig die endlose Suche nach einer passenden Hörhilfe, das war wirklich kein Selbstläufer.

Oftmals werden Menschen, die nicht gut hören, ausgegrenzt. Wie war das bei Ihnen? Welche Erfahrungen haben Sie gemacht und wie wurden Sie dadurch geprägt?

Ausgrenzung habe ich vor allem in der Schule regelmäßig erfahren. Das sind natürlich keine schönen Erfahrungen für einen jungen Menschen, der sich aufgrund seiner Einschränkungen ohnehin schon durch den Alltag kämpfen muss. In vielen Bereichen haben mich die Nachteile, mit denen ich aufgrund meines eingeschränkten Hörvermögens konfrontiert war, dann aber zu einer Überkompensation veranlasst. Ich wollte zeigen, dass ich trotzdem gut, trotzdem die Beste sein kann. Meine Erfahrungen haben mich also insgesamt stärker gemacht und mich immer wieder angespornt meinen Weg trotzdem weiterzugehen.

Gehen Sie anders auf die Patienten ein als andere HNO-Ärzte, die das Leben mit Schwerhörigkeit nicht selbst kennen?

Meine Erfahrung als Betroffene hat dazu geführt, dass ich nicht nur einen Hörschaden diagnostizieren und behandeln kann, sondern auch weiß, welche Auswirkungen eine solche Einschränkung in allen Bereichen des Lebens haben kann. Vor allem gesellschaftlich und psychosozial. Ich weiß ganz genau, was es für einen Patienten bedeutet, wenn er nur noch 35 Prozent Hörvermögen hat. Woran man damit nicht oder nur noch mit massiven Einschränkungen teilnehmen kann. Damit meine ich nicht nur das korrekte Auslesen der Hörkurve. Ich weiß, welche Kraftanstrengung es kostet, schon an den banalsten Gesprächen teilzunehmen. Deshalb muss ich bei meinen Patienten nicht bei Null anfangen, sondern kann sie dort abholen, wo sie sind. Sie müssen es mir nicht erklären, ich weiß, wie es ihnen geht.

Nicht entmutigen lassen und nicht mit einem unbefriedigenden Status Quo abfinden

Was raten Sie Ihren Patienten?

Lassen Sie sich nicht entmutigen. In der Arztausbildung kommt beispielsweise das Cochlea-Implantat nur in sehr kleinen Teilen vor. Viele meiner Kollegen sind mit dieser Möglichkeit deshalb kaum vertraut und können ihren Patienten diesen Weg auch nicht aufzeigen. Vielen Betroffenen hilft ein solches Implantat aber, wieder ins Hören zu finden. Niemand sollte sich dauerhaft mit einem unbefriedigenden Status Quo abfinden.

Selbst völlige Gehörlosigkeit lässt sich hervorragend behandeln

Mit welchen Problemen kommen Schwerhörende in die Helios Klinik und was ist machbar?

Wir sind in der Hörklinik in der Lage, beinahe alle Formen der Schwerhörigkeit zu diagnostizieren und zu behandeln. Die Erfolgsaussichten sind individuell von der jeweiligen Situation und Diagnose des Patienten abhängig. Mein eigenes Beispiel zeigt, dass sich selbst völlige Gehörlosigkeit heutzutage hervorragend behandeln lässt. Nur wenn der Hörnerv oder die zentrale Hörbahn im Gehirn beschädigt ist, kommen wir an unsere Grenzen. Zwar gibt es Hirnstammimplantate, die Ergebnisse sind jedoch bei weitem nicht so gut, wie mit Cochlea-Implantaten. Zum Glück wird aber auch hieran weiter geforscht.

Weiterentwicklungen bei Hörsystemen

Welche Weiterentwicklungen bei CIs und anderen Hörsystemen gibt es?

Irgendwann wird es möglich sein, alle Komponenten zu implantieren und das Implantat von außen völlig unsichtbar über das Smartphone zu steuern. Spannend ist auch die Möglichkeit, die Hörnerven nicht über Strom, sondern über Lichtimpulse zu stimulieren. Damit wäre der Energieverbrauch deutlich geringer und das Hörempfinden noch einmal näher am physiologischen Hören. Außerdem bleibt es spannend, ob in den nächsten Jahren der Durchbruch in der Stammzelltherapie gelingt. Dann hätten wir künftig kurative Therapieansätze. Das wäre wirklich revolutionär.

Für ein aktives Leben mit Schwerhörigkeit sind Aufklärung und eine vertrauensvolle Beratung entscheidend. Dies erhalten Betroffene bei einem spezialisierten Hörakustiker oder HNO-Arzt. Sie führen nicht nur einen Hörtest durch, sondern können Ihnen auch alle Fragen rund um ein Cochlea-Implantat und andere Hörsysteme beantworten.

Erfahren Sie mehr über das Hören mit Cochlea-Implantat, eine optimale Nachsorge und passende Hörtrainings.

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