Erkennen, annehmen und danach handeln ist der Schlüssel
Die Kommunikation im Alltag wird mit steigendem Grad der Schwerhörigkeit schwieriger. Wie meistern Sie diese Herausforderung?
Entscheidend ist, der Realität ins Auge zu blicken! Erst wenn ich für mich akzeptiert habe, wo meine Grenzen zu dem jeweiligen Zeitpunkt liegen, kann ich mich aktiv auf die Suche nach Lösungen für konkrete Situationen begeben. Eine 100%-Lösung kommt selten vor, aber oft ist eine Teillösung schon deutlich besser als keine.
Entscheidend dabei ist, dass ich mir im Klaren darüber bin, dass der Austausch mit anderen und das Leben in der Gemeinschaft ein existenzielles Grundbedürfnis ist. Ganz wichtig ist es daher, dem Umfeld zu kommuniziere, was Sache ist, welche äußeren Bedingungen mir eine Unterhaltung erleichtern und wie sie mich unterstützen können. Wer nicht schwerhörig ist, weiß das alles oft nicht und freut sich, wie einfach eine flüssige Unterhaltung doch möglich ist, wenn ein paar Regeln beachtet werden. Manchmal drücke ich mich zugegebenermaßen davor, weil ich glaube, dass das in dem Moment nicht nötig sei – nur um hinterher festzustellen, dass ich doch wieder die Hälfte nicht verstanden und beim Gegenüber den Eindruck hinterlassen habe, ich sei irgendwie seltsam oder blöd.
Generell gilt, dass es auch im Interesse des Umfeldes ist, dass der Schwerhörige ihm erhalten bleibt und sich einbringt – das gilt für jeden Schwerhörigen, sonst wäre er ja nicht Teil der jeweiligen Gruppe! Wenn meine Freunde und Bekannten also für mich mithören oder etwas wiederholen müssen, tun sie das auch in ihrem eigenen Interesse. Mir und vielen meiner Klienten hilft diese Erkenntnis sehr, denn sie ermöglicht ein Auftreten auf Augenhöhe, anstatt immer unsicherer zu werden und sich klein zu machen.
Ganz wichtig ist außerdem, anzuerkennen, dass der Aufwand für die Kommunikation bei einem Schwerhörigen enorme zusätzliche Energie-Ressourcen benötigt, die an anderer Stelle merkbar fehlen. Wer schwerhörig ist, sollte sich daher sehr genau überlegen, wofür er seine Kräfte hergeben möchte und wo er an anderer Stelle bewusst und sinnvoll sparen kann. Sich zum Beispiel im Job für das Sprachverstehen komplett aufzureiben, um dann in der Freizeit zu müde für jeglichen sozialen Austausch zu sein, ist keine Lösung. Da sollte man stattdessen gucken, wie der Hör-Aufwand bei der Arbeit reduziert werden und welche Freundschaften man wie weiter pflegen kann.