Hörscreening für Neugeborene
Aktuelles aus Medizin, Forschung & Wissenschaft – Teil 2: Klangvoll ins Leben starten
In Teil 2 unserer Reihe zu medizinischen Erkenntnissen, Studien und therapeutischen Ansätzen rund um die Behandlung von Schwerhörigkeit geht es um eine kleine Untersuchung mit großer Auswirkung auf das gesamte Leben: Das Hörscreening für Neugeborene. Mit ihm lässt sich bereits in den ersten Lebenstagen eine Hörminderung bei Babys feststellen.
Viele Menschen hören mit zunehmendem Alter schlechter und nehmen Anzeichen wie das Überhören von Alltagsgeräuschen, häufiges Nachfragen bei Gesprächspartnern oder hohe Lautstärken bei Fernsehen oder Radio wahr. Doch was tun bei einer Hörminderung bei Babys oder Kleinkindern? Im Gegensatz zu Erwachsenen können sie noch nicht bemerken oder deutlich äußern, ob sich ihr Gehör verschlechtert. Umgekehrt fällt es Eltern schwer, Anzeichen einer Hörminderung bei Babys oder Kleinkindern richtig zu deuten.
Prävention von Geburt an
Um eine Hörminderung bei Babys rechtzeitig zu erkennen, gibt es das Hörscreening für Neugeborene als eine Leistung der gesetzlichen Krankenkassen. Diese Früherkennungsuntersuchung durchlaufen in Deutschland seit 2009 alle Neugeborenen innerhalb der ersten zehn Lebenstage. Ziel ist es, angeborene Hörstörungen frühzeitig zu erkennen. Denn Hörverlust schränkt nicht nur im Alltag ein, er kann auch zu einer verzögerten Sprachentwicklung führen.
Typische Anzeichen für Hörverlust bei Kindern
Erste Anzeichen, die auf einen Hörverlust bei Kindern hindeuten können, sind:
- Keine oder nur geringe Reaktion auf Geräusche (Drehung des Kopfes, Reaktion des Babys)
- Verzögerte Sprachentwicklung oder undeutliche Sprache (Kleinkind)
- Häufiges Nachfragen, Gegenfragen oder unpassende Antworten auf klar gestellte Fragen
- Fokus auf die Lippenbewegungen der sprechenden Person
- Hohe Lautstärke bei Fernseher oder Radio
- Konzentrationsschwächen oder Schwierigkeiten beim Lernen in der Schule
- Häufige Ohrinfektionen, Ohrenschmerzen oder Ohrgeräusche
Wie läuft ein Hörscreening für Neugeborene ab?
Das Hörscreening für Neugeborene, auch Primärscreening genannt, dauert nur wenige Minuten und ist völlig schmerzfrei. Meist führen die Ärzte der Geburtsklinik die Untersuchung durch, manchmal auch Kinderärzte oder HNO-Fachärzte. Sie verwenden zwei Untersuchungsmethoden:
- TEOAE (transitorisch evozierte otoakustische Emissionen): Die Methode überprüft die Funktion der äußeren Haarsinneszellen im Innenohr. Ein Ohrstöpsel mit Sonde gibt leise Geräusche ab und misst das Echo der Sinneszellen. Ist dieses Echo vorhanden, funktionieren das Mittelohr und die Hörschnecke des Babys.
- AABR (Automatisierte Hirnstammaudiometrie): Um zu prüfen, ob die Hörbahn – also das gesamte Innenohr, die Hörnerven und der Hirnstamm – funktionsfähig ist, messen die Ärzte die elektrische Reaktion des Hörnervs auf Klicktöne über aufgeklebte Elektroden.
Diese beiden Untersuchungen werden durchgeführt, während das Baby schläft: Erst die etwas weniger aufwändige TEOAE-Messung, die bei auffälligem Befund bei einem weiteren Screening wiederholt wird. Bleibt der Befund auffällig, folgt eine AABR.
Ist der Befund weiterhin unklar oder auffällig, wird das Kind für ein Kontrollscreening an spezialisierte Fachärzte wie Kinderärzte, HNO-Ärzte oder Pädaudiologen/Phoniater überwiesen. Bestätigt sich der Verdacht eines Hörverlustes, erfolgt die weiterführende Diagnostik in phoniatrisch-pädaudiologischen Einrichtungen. Gleichzeitig erhalten Eltern Beratung zu einer pädagogischen Frühförderung für Babys mit Hörminderung. All dies findet idealerweise vor dem sechsten Lebensmonat statt, denn hier startet die Sprachentwicklung.
Warum ein Hörscreening für Neugeborene?
Zwei bis drei von 1.000 Kindern kommen mit einer behandlungsbedürftigen Hörstörung zur Welt. Bleibt diese unbemerkt und dadurch unbehandelt, gefährdet dies die altersgerechte Hör- und Sprachentwicklung. Denn der Säugling nimmt die Lautsprache nicht richtig auf und kann sie deshalb weder korrekt erlernen noch verständlich aussprechen. Das hat nicht nur Folgen für die kognitive, sondern auch für die soziale Entwicklung, denn auch das Knüpfen von Freundschaften und der Erfolg in der Schule hängt von unserem Hörsinn ab. Das Hörscreening für Neugeborene ist die Basis für eine optimale Sprachentwicklung durch eine frühzeitige Versorgung.
Das Kind hört schlecht – kindgerechte Hörsysteme helfen
Je früher eine Hörminderung bei Babys erkannt wird, desto früher sind eine gezielte Förderung und eine schnelle Versorgung mit kindgerechten Hörsystemen möglich. Diese wird von gesetzlichen Krankenkassen übernommen.
Für die Behandlung von Hörminderung bei Babys und Kleinkindern stehen heute eine ganze Reihe kindgerechter Hinter-dem-Ohr-Hörsystemen (HdO) mit vielfältigen Einstellungsmöglichkeiten und in bunten Farben zur Verfügung.
Leidet ein Kind unter einer hochgradigen oder an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit, kann eine Behandlung mit Hörgeräten nicht ausreichen. In diesen Fällen bieten sich Cochlea-Implantate bei Kindern an, die den nicht mehr funktionsfähigen Teil des Innenohrs überbrücken. Diese Hörimplantate werden operativ bei einem Routine-Eingriff in Vollnarkose eingesetzt und ermöglichen betroffenen Kindern an der normalen altersgerechten Sprachentwicklung teilzunehmen.
Schwerhörigkeit muss keinen Nachteil in der kindlichen Entwicklung bedeuten, wenn sie früh genug erkannt wird. Moderne, kindgerechte Hörsysteme bieten vielfältige Lösungen für verschiedene Formen des Hörverlustes. Zahlreiche Hörakustiker haben sich auf die Betreuung von Kindern spezialisiert. Beratung in Ihrer Nähe finden Sie gefiltert nach dem Stichwort „Pädakustik“ in unserer Akustikersuche.