Auf den Spuren des absoluten Gehörs

Auf den Spuren des absoluten Gehörs

Jugend forscht

Was braucht es, um Töne treffsicher ohne Referenz benennen zu können – und kann man das lernen? Dieser Frage sind die Jungforscher Leontin Schmidt, Carlos Toshiro Beato del Rosal und Noah Wieder in einem spannenden Projekt bei „Jugend forscht“ 2025 nachgegangen. Dafür haben sie den Sonderpreis des Bundesverbands der Hörsysteme-Industrie erhalten.

Leontin Schmidt (17 Jahre), Carlos Toshiro Beato del Rosal (16 Jahre) und Noah Wieder (17 Jahre) besuchen die Steinmühle in Marburg, ein Gymnasium mit gebundener Ganztagsschule. Gemeinsam haben sie das Projekt „Auf den Spuren des absoluten Gehörs“ im Rahmen von Jugend forscht entwickelt: In ihrem Projekt haben sich die drei Forscher mit dem Phänomen des absoluten Gehörs beschäftigt. Sie wollten herausfinden, ob jeder Mensch diese Fähigkeit erlernen kann und welche Faktoren den Lernprozess beeinflussen. Wir haben mit ihnen über ihre Motivation und ihr Vorgehen gesprochen.

Ihr habt Euch in Eurem Projekt mit dem absoluten Gehör beschäftigt. Wie seid Ihr auf die Idee gekommen?

„Die Idee ist aus unserer Faszination für das absolute Gehör und den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen dazu entstanden. In diesem Bereich ist die Studienlage erstaunlicherweise noch sehr dünn. Besonders motivierend war außerdem, dass unser Gruppenmitglied Toshi selbst über ein absolutes Gehör verfügt.

Das hat uns neugierig gemacht, wie das absolute Gehör entsteht und ob man es vielleicht sogar erlernen kann. Die Seltenheit des Phänomens und die Hinweise auf mögliche Einflussfaktoren wie frühes musikalisches Training oder das Erlernen von Tonalsprachen haben ebenfalls unser Interesse geweckt.“

Was ist das absolute Gehör?

Das absolute Gehör ist eine seltene Fähigkeit, bei der Töne ohne Vergleichsreferenz exakt erkannt und benannt werden können. In Europa besitzen schätzungsweise nur etwa einer von 10.000 Erwachsenen dieses sogenannte passive absolute Gehör. Noch außergewöhnlicher ist das aktive absolute Gehör – Menschen mit dieser Ausprägung können beispielsweise Melodien direkt vom Notenblatt singen, ohne ein Instrument zur Hilfe zu nehmen. Mehr dazu erfahren Sie in unserem Beitrag „Das absolute Gehör“.

Was hat Euch an dem Thema persönlich fasziniert? Spielt einer von Euch selbst ein Instrument oder habt Ihr musikalischen Hintergrund?

„Uns hat fasziniert, dass das absolute Gehör eine Fähigkeit ist, die nur sehr wenige Menschen besitzen, und dass sie an der Schnittstelle von Genetik, Neurobiologie und Umweltfaktoren liegt. Besonders spannend fanden wir die Frage, ob und wie man diese Fähigkeit fördern oder sogar gezielt erlernen kann. Denn das absolute Gehör wird oftmals als angeborene Gabe gesehen. Doch tatsächlich ist nicht bekannt, wie stark und ob eine genetische Komponente überhaupt eine Rolle spielt.

Es gibt sogar Hinweise darauf, dass die Entwicklung der Fähigkeit eine starke Korrelation zu frühkindlicher musikalischer Erziehung hat. Wir alle haben durch das Spielen verschiedenster Musikinstrumente gewisse musikalische Vorkenntnisse, insbesondere Toshi spielt bereits seit seinem siebten Lebensjahr Klavier.“

Wie seid Ihr bei Euren Tests und Experimenten vorgegangen?

„Wir haben eine Studie mit insgesamt knapp 90 Probanden durchgeführt, darunter Mitschüler, Lehrer, Freunde und Familienmitglieder. Wir haben verschiedene Tests entwickelt, um das relative und das absolute Gehör zu untersuchen. Dazu haben wir selbst erstellte Ton- und Klangaufnahmen genutzt, die mit einem Synthesizer und/oder Musiksoftware generiert wurden.

Die Teilnehmenden mussten einen Ton unter anderen wiedererkennen und aufschreiben, wobei die Schwierigkeit auf Basis bisheriger Ergebnisse variiert hat. Die Tests wurden in konstantem Rhythmus über mehrere Tage hinweg durchgeführt. Bei der Auswertung der Ergebnisse haben wir einen besonderen Fokus auf verschiedene Parameter gelegt, wie das Alter und die musikalische Vorerfahrung, die das absolute Gehör potenziell beeinflussen könnten.“

Was war das Spannendste oder Überraschendste, das Ihr beim Auswerten der Daten entdeckt habt?

„Entgegen unseren ursprünglichen Erwartungen haben Faktoren wie das Geschlecht und der Unterschied zwischen Tönen und Klängen praktisch gar keine Rolle gespielt. Zudem haben Probanden mit guten musikalischen Vorkenntnissen, die schon von Kindesalter an ein Instrument spielen, deutlich bessere Ergebnisse erzielt. Am bemerkenswertesten war jedoch, dass unsere jüngeren Probanden einen weitaus besseren Lernfortschritt hatten. Das weist erneut darauf hin, dass das Alter bei der Entwicklung des absoluten Gehörs eine entscheidende Rolle spielt.“

Was sind die wichtigsten Ergebnisse Eurer Untersuchung?

„Aus unserer Sicht gibt es vier zentrale Erkenntnisse:

  • Das absolute Gehör ist äußerst selten und hängt primär stark von frühem musikalischem Training ab.
  • Die Wahrscheinlichkeit, ein absolutes Gehör zu entwickeln, ist im präpubertären Alter am höchsten.
  • Musikalische Vorkenntnisse und ständiges Üben fördern das relative Gehör und die Fähigkeit, Instrumente zu erkennen.
  • Das Erlernen des absoluten Gehörs im Erwachsenenalter ist nach unseren Ergebnissen sehr schwierig bis eventuell unmöglich.“

Gibt es schon Interessenten aus der Industrie oder Wissenschaft, die an Euch herangetreten sind?

„Bisher gab es noch keine direkten Anfragen aus der Industrie oder Wissenschaft. Unser Projekt wurde jedoch im Rahmen von Jugend forscht Hessen vorgestellt. Wir hoffen, dass unsere Ergebnisse das Interesse von Forschern oder Musikpädagogen wecken und vielleicht zu weiteren Kooperationen führen.“

Ihr habt mit „Auf den Spuren des absoluten Gehörs“ ein tolles Projekt erfolgreich umgesetzt. Vielen Dank für das nette Gespräch und viel Erfolg bei künftigen Projekten!

Vom Ohrwurm über Farbenhören bis zum Rauschen im Kopf – das menschliche Hören bringt faszinierende Sinneseindrücke hervor, die nicht immer krankhaft sind. Was viele für Tinnitus halten, entpuppt sich oft als harmloses, aber spannendes Phänomen unserer auditiven Wahrnehmung. Mehr erfahren Sie im Beitrag „Phänomene rund ums Hören“.

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